So denkt die Rouge-Community über den «Menstruationsurlaub»

So denkt die Rouge-Community über den «Menstruationsurlaub»
Tina Frey 15.04.2024

Im März 2024 haben wir angesichts der Medienberichterstattung zum sogenannten «Menstruationsurlaub» eine Umfrage in unserer Rouge-Community durchgeführt.

Der Menstruationsurlaub wurde in den Medien wieder aktuell, nachdem die Stadt Freiburg diesen eingeführt hat. Einen Artikel von Februar 2024 findest du auf SRF. Das Thema ist politisch instrumentalisiert und in Kommentarspalten wird fleissig darüber gezofft. Viele Kommentare sind nicht gerade konstruktiv, der Grossteil stammt denn auch von Nicht-(mehr)-menstruierenden. Daher haben wir uns gedacht: Fragen wir lieber die Frauen, bei denen die Periode ein aktuelles Thema ist. Deshalb haben wir eine kleine Umfrage dazu erstellt.

244 Teilnehmerinnen (wir gehen hier bewusst fast ausschliesslich von Frauen aus) haben mitgemacht und ihre Meinung anonym geäussert. In diesem Artikel teilen wir die Resultate und unsere Interpretation dieser Daten. 

Findest du den Menstruationsurlaub eine gute Idee?

Dies war unsere Hauptfrage (zugleich die einzige Pflichtfrage) und der Trend in unserer Community ist eindeutig: Knapp 60% sagen «Ja», 22,5% «Nein» und 17,6% sind unentschieden.

Chart zur Umfrage
Für fast 60% der Teilnehmerinnen ist den Menstruationsurlaub eine gute Idee.

Wenn wir die Frage mit der persönlichen Wahrnehmung der Beschwerden während der Menstruation verknüpfen, zeigt sich: Je stärker die Beschwerden, desto grösser die Zustimmung für den Menstruationsurlaub: Bei Frauen mit starken bis sehr starken Beschwerden steigt die Zustimmung auf 75%, während sie bei Frauen mit keinen bis mittleren Beschwerden unter die Hälfte sinkt. Dies lässt den naheliegenden Schluss zu: Je stärker ich von etwas betroffen bin, desto eher befürworte ich entsprechende Massnahmen. 

Chart zur Umfrage
Links: Je stärker die Beschwerden, desto höher die Zustimmung. Rechts: Ein weniger eindeutiges Bild zeigt sich bei Frauen mit mittleren, leichten oder keinen Beschwerden.

 

Stehen also hauptsächlich «eigennützige» Motive im Vordergrund?

So scheint es nicht zu sein, denn rund 95% aller Frauen können mindestens einen Vorteil im Menstruationsurlaub erkennen (Mehrfach-Antworten waren möglich). Ein solidarische Grundhaltung ist hier durchaus erkennbar.

Chart zur Umfrage
Antworten auf die Frage: «Welche Vorteile des Menstruationsurlaubs siehst du?»

Der Menstruationsurlaub hat auch Nachteile

Dass die Teilnehmerinnen den Menstruationsurlaub als zweischneidiges Schwert sehen, wird bei der folgenden Frage deutlich: «Welche Nachteile des Menstruationsurlaubs siehst du?» Über ein Drittel der Teilnehmerinnen fürchtet, dass Stellen eher mit einer männlichen Person besetzt werden, sollte der Menstruationsurlaub zur Pflicht werden.

Chart zur Umfrage
Diese Nachteile sehen die Teilnehmerinnen bei einer Einführung des Menstruationsurlaubs (Mehrfachnennungen waren möglich).

Rund jede fünfte Teilnehmerin befürchtet, dass die Ungleichbehandlung der Geschlechter dadurch zunimmt. Auffällig ist zudem, dass viele «Sonstige» Antworten eingegangen sind, die explizit auf die mögliche Ausnutzung einer solchen Regelung hinweisen:

Chart zur Umfrage
Würden viele Frauen den Menstruationsurlaub missbrauchen? Auffällig viele Teilnehmerinnen geben dies zu bedenken (Auszug aus «sonstige Antworten»).

Selbsteinschätzung der Beschwerden

Wir haben die Teilnehmerinnen gefragt: «Wie stark schätzt du die Beschwerden während deiner Periode ein?». Aufgrund der Tatsache, dass die Teilnehmerinnen «Rouge» kennen, durfte man davon ausgehen, dass der Anteil der Frauen mit einer erhöhten Wahrnehmung der Beschwerden überdurchschnittlich ist. Entsprechend schlägt sich dies in der folgenden Grafik nieder: Mehr als Dreiviertel der Teilnehmerinnen geben an, dass Sie während der Periode mindestens mittelstarke Schmerzen empfinden.

Chart zur Umfrage
«Wie stark schätzt du die Beschwerden während deiner Periode ein?»

Falls du Schmerzen während der Periode hast, wie gehst du in deiner beruflichen Situation damit um?

Diese Anschlussfrage an die Selbsteinschätzung zeigt, wie die Teilnehmerinnen aktuell ohne das Angebot des Menstruationsurlaubs mit Schmerzen im Arbeitsalltag umgehen. Was sofort auffällt: Die meisten Frauen arbeiten trotz Schmerzen, auch wenn diese sehr stark sind. Weniger als 5% geben an, den Arbeitgeber über Menstruationsschmerzen oder Krankheit zu informieren und nicht zu arbeiten.

Chart zur Umfrage
Nur 4.1% der Teilnehmerinnen bleiben der Arbeit wegen der Schmerzen ganz fern.

Von der Antwort-Option «Sonstige Antworten» wurde sehr häufig Gebrauch gemacht. In den meisten Fällen um mitzuteilen, dass zwar gearbeitet wird, aber unter Zuhilfenahme von Schmerzmitteln.

Chart zur Umfrage
Auffällig: Viele Frauen arbeiten regelmässig mit Schmerzmitteln.

Was sich Frauen wirklich wünschen…

Wir fragten: «In welchem Bereich erachtest du Fortschritte zum Thema Menstruation am dringlichsten?», wobei hier absichtlich nur eine Antwort möglich war, um das drängendste Anliegen zu identifizieren. Und siehe da: Nicht von den Arbeitgebern wird eine Veränderung am dringlichsten erwartet. Mehr als die Hälfte wünscht sich nämlich zuallererst mehr Wissen und Akzeptanz in der Gesellschaft. Und für 31,7% der Teilnehmerinnen sind Innovationen in Forschung und Medizin am wichtigsten.

Chart zur Umfrage
Die Flexibilität der Arbeitgeber ist nur für rund einen Achtel der Teilnehmerinnen am wichtigsten.

Daten zur Umfrage

  • 244 Personen haben an der Umfrage teilgenommen.
  • Die Umfrage wurde anonym durchgeführt.
  • 84% der Teilnehmerinnen waren zum Zeitpunkt der Umfrage zwischen 23 und 42 Jahre alt. 
  • 54% der Teilnehmerinnen wohnen in den Kantonen Zürich, Bern und St. Gallen. 
  • Die restlichen 46% verteilen sich auf die übrigen Kantone, wobei keine Teilnehmerinnen aus den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg, Nidwalden, Schaffhausen und Waadt dabei waren. 
  • Die Umfrage berücksichtigte Antworten vom 28.02.2024 bis 08.03.2024.

Kommentar von Rouge

Die Umfrage kann zwar nicht als repräsentativ für die weibliche Schweizer Bevölkerung betrachtet werden, weil wir davon ausgehen, dass Frauen, die mit Rouge interagieren, eine sensibilisierte Sichtweise auf die Menstruation haben. Dennoch ist es sehr spannend und aus unserer Sicht auch wichtig zu sehen, wie gerade diese Gruppe von Frauen über das Thema Menstruationsurlaub denkt.

Wir haben bei der Auswertung der Daten festgestellt, dass die Meinungen sehr differenziert sind, d.h. es werden oft verschiedene Sichtweisen eingenommen und Verständnis entgegengebracht. Dies empfinden wir als sehr positiv, gerade in Bezug auf einen gesellschaftlichen und politischen Diskurs.

Geradezu erschüttert nehmen jedoch wir zur Kenntnis, wie viele Frauen auf Schmerzmittel angewiesen sind, um während der Menstruation «funktionieren» zu können, wie es eine Teilnehmerin ausgedrückt hat. In diesem Zusammenhang möchten wir auf jeden Fall nochmals in Erinnerung rufen: Regelmässig starke oder sehr starke Schmerzen während den Tagen zu haben, ist in dem Sinne nicht «normal». Diese sollten in jedem Fall medizinisch abgeklärt werden. Erst wenn diese Abklärung erfolgt ist und keine medizinische Ursache erkennbar ist, kann Frau sich mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, die Linderung verschaffen können: Zyklische Lebenskonzepte, körperliche Übungen, Nahrungsumstellung und -ergänzung usw. Wir haben jede Menge wunderbare Frauen in unserem Umfeld, die dabei helfen können.

Und welche Meinung haben wir bei Rouge zum Menstruationsurlaub? 

Wir haben ebenfalls viel darüber debattiert und finden den Menstruationsurlaub eher keine gute Idee. In erster Linie finden wir, dass Menstruationsschmerzen nicht als «normal» gelehrt werden sollten — sondern als etwas, wobei man sich Rat holen kann und soll. Also nicht einfach «Schmerzmittel rein und weiter!», sondern eher «Halt! Was ist da los und was kann ich tun?»

Schliesslich sehen wir ebenfalls die Nachteile, welche die Teilnehmerinnen genannt haben: Spaltung der Gesellschaft, Nachteile bei der Stellensuche. Wir denken, in einem modernen Arbeitsumfeld sollte schon heute jede Person von der Arbeit fernbleiben können, wenn sie sich nicht arbeitsfähig fühlt, egal aus welchem Grund. Insofern sollten wir also eher dort ansetzen und Arbeitgeber für die Menstruation sensibilisieren.

Es freut uns sehr, dass sich die meisten Teilnehmerinnen für mehr Wissen und Akzeptanz in der Gesellschaft ausgesprochen haben. Denn das ist genau jenes Anliegen, das wir mit Rouge verfolgen.

Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen! 

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Kommentare

Lili schrieb am 16.04.2024 um 11:42 Uhr
Endometriose!?
Ich frage mich gerade wie bei dieser Umfrage solche mit Endometriose gewichtet werden? Es gibt solche die können deswegen gar nicht arbeiten weil sie immer Schmerzen haben! Also bitte unbedingt abklären. Ich wünschte mir auch gnädigere Chefs in dieser Welt die sowas akzeptieren können...
K.R. schrieb am 16.04.2024 um 09:53 Uhr
Urlaub
Ich finde Urlaub auch schwierig. Aber so heisst es im Arbeitsumfeld eben. Mutter-/ Vaterschaftsurlaub, Beurlaubung usw. Noch schwieriger ist es, einen anderen Begriff zu finden. Wie soll man so etwas nennen? Mens-Timeout? Periodenauszeit?
Tam schrieb am 15.04.2024 um 21:43 Uhr
Menstruations-Urlaub finde ich überflüssig
Hallo, ich finde, einen Menstruations-Urlaub braucht es in der Schweiz nicht. Man kann ja 3 Tage "krank" sein ohne ein Arztzeugnis und das sollte doch eigentlich reichen, bis man wieder arbeitsfit ist wegen seiner Periode. Oder hat jemand länger so starke Schmerzen, dass er nicht arbeiten kann?
Anonym schrieb am 15.04.2024 um 14:17 Uhr
Falscher Begriff
Hallo zusammen! Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht auch einfach der Begriff "Urlaub" ist, der zu Unmut führt. Ich denke bei Urlaub an Strand, Palmen und gutes Wetter. Mentruations-"Urlaub" hat damit aber ja überhaupt nichts zu tun. Vielleicht wäre es Zeit für einen passenderen Begriff?