War der «Pinky Gloves» Shitstorm gerechtfertigt?
Zwei junge Männer wollten mit ihrem StartUp ein «Frauenproblem» lösen und bezahlten teuer. Zurecht? Lies die Geschichte der «Pinky Gloves» («pinke Handschuhe») und bilde dir dein eigenes Urteil.
Die Story
Die neonfarbenen Einweghandschuhe wurden in der Gründershow «Die Höhle der Löwen» des deutschsprachigen TV-Senders «Vox» vergangenen Frühling von zwei Männern als Innovation präsentiert, um Damenhygieneartikel unterwegs diskret und hygiensch entsorgen zu können. Mit dem Plastikhandschuh kann Frau unterwegs Tampons entfernen, den Handschuh umstülpen, mit dem integrierten Klebeband sicher verschliessen und dann an geeigneter Stelle in den Müll werfen – so die Idee der beiden 32-jährigen Erfinder.
Tatsächlich erhielten die selbsternannten «Frauenversteher» ein Angebot des Investors Ralf Dümmel, der 30'000 Euro für 20 Prozent der Firmenanteile auszulegen bereit war.
Der Mega-Shitstorm liess nicht lange auf sich warten: In den Tagen nach der Ausstrahlung ergossen sich tausende empörte und hämische Kommentare unter dem Hashtag #pinkygate in den sozialen Medien. Die Gründer und Ralf Dümmel mussten die «Pinky Gloves» nach wenigen Wochen vom Markt nehmen, es war gar von Morddrohungen die Rede.
Die Sofa-Perspektive
Ich sehe nicht viel fern, aber «Die Höhle der Löwen» ist eine Sendung, die bei mir Zuhause ab und zu im Hintergrund läuft, während ich auf der Couch am Laptop arbeite. Als Unternehmer interessieren mich kreative Ideen, die Präsentationen der Gründer und ihre Wirkung auf die Investoren. Klar, es ist eine TV-Produktion: Da wird geschnitten und verdichtet, Emotionen werden aufgebauscht und die Investoren sind ohnehin fast nur an Ideen interessiert, die sich schnell und einfach skalieren lassen. Trotzdem finde ich die Sendung unterhaltsam, wie übrigens auch die Schweizer Variante auf dem TV-Sender «3+».
Als an jenem Abend die zwei Pinky-Gloves-Erfinder ihre Idee präsentierten, war ich gerade erst zum Rouge-Team gestossen (über meine Rolle bei Rouge schreibe ich hier ein andermal). Ich legte den Laptop beiseite und sah mir die Präsentation mit ungeteilter Aufmerksamkeit an. Die beiden Jungs wirkten von ihrer Idee absolut überzeugt und nicht unsympathisch. Der Auftritt war humorvoll, selbstsicher und von der Farbe Pink dominiert. So weit, so gut: Vor den Investoren muss man sich verkaufen und signalisieren, dass man für die Idee lebt.
Sie erzählten, dass sie gemeinsam mit zwei Frauen in einer WG wohnten, wo gebrauchte Tampons oft sichtbar im Mülleimer lagen, was sie nicht so appetitlich fanden. In einem WG-Gespräch konnten sie sich mit den Mitbewohnerinnen über ihre Vorbehalte austauschen und stiessen nicht nur auf deren Verständnis, sondern auf eine Idee, in der sie auch von ihren Lebenspartnerinnen bestärkt wurden: Die «Pinky Gloves» waren geboren.
Ein Unheil nimmt seinen Lauf
Jetzt musste nur noch ein passender Hersteller gefunden und das Produkt- und Markendesign ausgetüftelt werden. Als sie in der Sendung auftraten, wurde ihr Produkt immerhin bereits von 6 Drogerien im Umkreis verkauft. Der Weltmarkt schien nur einen Katzen- oder eben Löwensprung entfernt.
Ich kann mir die anfängliche Euphorie der beiden Gründer gut vorstellen: Sie stossen zufällig auf eine Idee und die Frauen im nächsten Umfeld reden ihnen diese zumindest nicht aus. Sie handeln in der Überzeugung, ein Problem zu lösen. Lokale Drogerien nehmen die «Pinky Gloves» tatsächlich ins Sortiment auf. Schon bald denken sie an die «Höhle der Löwen» und weder sie selbst, noch sonst jemand hat ihre Idee bis hierhin kritisch hinterfragt.
Sie werden in eine TV-Sendung eingeladen und dürfen ihre Geschäftsidee vor einem Millionen-Publikum präsentieren. Es kommt noch besser: Ein erfolgreicher Investor steigt bei ihnen ein. Die Freude muss riesig gewesen sein. Doch sie war von kurzer Dauer.
Was hat Mann falsch gemacht?
Erstes Problem: Der Innovationsgrad bei den «Pinky Gloves» ist eher niedrig. Einweg-Handschuhe gibt es überall zu kaufen und das günstiger. Der Klebeverschluss und die Farbe sind das einzige Alleinstellungsmerkmal.
Zweites Problem: Egal wie dünn die Handschuhe sind, sie sind aus Plastik und Plastik ist böse, auch wenn er in diesem Anwendungsfall sinnvoll ist. Plastik ist derzeit – überspitzt gesagt – der erträgliche Verzicht des umweltbewussten Grossstadtmenschen, der damit im Gegenzug seinen Urlaub, SUV oder Fleischkonsum rechtfertigen kann. Wie auch immer: Schlechtes Timing jedenfalls.
Drittes Problem: Pink. Pinke Produkte stehen unter Generalverdacht, die Bereitschaft von Frauen auszunutzen, mehr für Körperpflege- und Kosmetik-Artikel zu bezahlen als Männer (sog. Pink Tax). Ein Teil der Gesellschaft empfindet es heute zudem als sexistisch, Geschlechtern bestimmte Farben zuzuordnen. Heikles Terrain!
Viertes Problem: Das Teamgefüge. Die etwas selbstironische Positionierung der Männer als «Frauenversteher» war Teil der Marketing-Strategie. Diese hätte sogar ein Stück weit funktionieren können, von den beiden Investorinnen erhielten die beiden zumindest Lob für die Auseinandersetzung mit der Thematik. Aber diese Auseinandersetzung war nicht ernsthaft genug und ich glaube genau das hat den Bogen letztlich überspannt: Die beiden Gründer haben von der Menstruation kein natürliches Bild vermittelt, sondern sie als Problem dargestellt. Ihre Partnerinnen oder WG-Kolleginnen hätten das Produkt und den Zweck ganz sicher authentischer vermittelt. Sie hätten sie ins Team holen müssen! Frauen haben zurecht genug von Männern, die ihnen erklären wollen, was gut für sie ist.
Fazit
Danach ist man immer klüger. Aber in dem Sog, in dem sich die Pinky-Gloves-Erfinder befanden, konnten sie den drohenden Shitstorm am Horizont vielleicht gar nicht erkennen, weil sie in jedem ihrer Schritte von anderen bestärkt wurden, von Männern wie auch von Frauen.
Aus meiner Sicht war die Empörung verständlich. Die Menstruation ist immer noch viel zu tabuisiert und daran haben in erster Linie nicht die Frauen, sondern wir Männer Schuld. Es ist Zeit, dass diese Schuld beglichen wird und das verlangt aufrichtiges Interesse, Verständnis und den Willen, etwas zu ändern. Die beiden Gründer haben es aus ihrer Perspektive gut gemeint, aber sie haben eine Chance verpasst und die kumulierte Wut einer Generation entgegen geschleudert bekommen, die derlei Diskriminierung nicht mehr hinnehmen möchte.
In mancher Empörungswelle gibt es leider auch Menschen, die deutlich über das Ziel hinausschiessen. Keine der Aussagen der beiden Gründer rechtfertigen blinden Hass, von Morddrohungen ganz zu schweigen. Sonst riskieren wir, künftig auch gute Ideen im Keim zu ersticken.
Ich für meinen Teil, freue mich auf weitere Folgen der Sendung mit Ideen von Menschen, die das Leben anderer Menschen besser machen wollen - egal welchen Geschlechts.
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